Seither sind 23 Jahre vergangen, doch noch immer hat Professor Hofer die braune NS-Täter-Katze nicht aus dem Luxemburger Komitee-Keller herausgelassen. Sein "Unwissen" hat ihn allerdings nicht gehindert, seit 1969 unzählige Artikel zu veröffentlichen über diesen längst zum Alptraum gewordenen Komplex sowie mehrere Bände mit "Beweisdokumenten" herauszubringen.
Diese "Dokumente" waren zwar listig miteinander "vernetzt", aber sie waren gefälscht. Erheiternd ist, dass selbst mit diesen Fälschungen die Namen der angeblichen Nazibrandstifter nicht offenbart werden konnten.
Anders als Herr Professor Hofer vermag ich durchaus die Lage nach den wirklichen Umständen der Brandstiftung im Reichstag zu beantworten, wenn auch in gebotener und deshalb zwangsläufig unbefriedigender Kürze1.
Ich muss hier vorausschicken, dass ich als NS-Gegner in der Zeit von 1933 und noch lange nach dem Krieg wie fast alle Welt davon überzeugt gewesen war, dass die Naziführung den Brand im Reichstag auf irgendeine, aber raffinierte Weise selbst inszeniert haben müsse, um mit der dem Reichspräsidenten abgenötigten Notverordnung vom 28. Februar 1933 das entscheidende Machtinstrument in die Hand zu bekommen, ihre Gegner niederzuwerfen. Zuzutrauen war es ihnen allemal. Nicht unwichtig ist weiterhin, dass mein Vater ebenso wie ich als unmittelbare Folge des Reichstagsbrandes 1933 Beruf, Stellung und sogar die Wohnung verloren haben. Kein Grund also, besonders nazifreundlich zu sein!
Durch eine Reihe von Zufällen erfuhr ich jedoch Ende 1951 von dem ehemaligen Kriminalkommissar Dr. Zirpins, demselben, der als erster Kriminalbeamter den jungen Niederländer Marinus Van der Lubbe in der Brandnacht vernehmen musste, die im Grunde einfache Wahrheit über dessen Einzelgängerschaft. Dieser Maurergeselle aus Leiden, dessen Augenlicht Jahre zuvor durch einen Berufsunfall geschädigt worden war, musste sich fortan mit einer winzigen Unfallrente durchschlagen. Er hatte sich häufig auf Wanderschaft durch Europa begeben, wie dies damals viele arbeitslose Jugendliche taten, um dem heimischen Elend zu entgehen. Bei der Vernehmung offenbarte Van der Lubbe auch die Motive für seine Brandstiftung, denn nun stellte sich heraus, dass jene im Reichstagsgebäude bereits sein vierter Versuch gewesen war, die in seinen Augen sträflich apathische deutsche Arbeiterschaft zum Protest und zum Widerstand gegen das verruchte kapitalistische System und dessen Nazi-Söldnertruppe aufzurütteln. Die winzige Sekte "Rätekommunisten", der er sich zuzählte, lehnte Befehle "von oben" - also auch aus Moskau - radikal ab und verlangte, das von jedem einzelnen Widerstandshandlungen spontan zu erfolgen hatten! Zwei Tage zuvor hatte Van der Lubbe alle Einzelheiten seiner Brandstiftung geschildert, angefangen mit dem Einsteigen in das Gebäude durch ein Fenster, wobei er - was nicht unwichtig ist - von zwei Zeugen unabhängig voneinander beobachtet worden war. Er gab viele bemerkenswerte Einzelheiten seines Brandlaufes durch die nachtdunklen Räume des Riesengebäudes an. Dabei hatte u.a. ein Schutzpolizist auf den vermeintlichen Fackelträger hinter den Milchglasscheiben einen Schuss abgefeuert.
Van der Lubbe zeichnete auf den ihm vorgelegten Bauplänen des Reichstages ebenso eifrig alle ihm erinnerlichen Einzelheiten mit Farbstiften auf, was ihm als Maurer nicht schwer fiel. Dabei zeigte sich zum Staunen der Kriminalbeamten, dass sich als Folge seiner Sehbehinderung sein Ortssinn ungewöhnlich gut entwickelt hatte.
Seine Angaben, wo er seine primitiven Brandmittel - einfache Kohlenanzünder und Streichhölzer - zuvor gekauft hatte, erwiesen sich durch Nachfrage in den von ihm bezeichneten Geschäften als wahrheitsgemäß. (Hier zeigt sich schon, wie lächerlich der Verdacht sein musste, dass die NS-Führung den niederländischen Wanderburschen als "Werkzeug" ihrer Brandstiftung ausgewählt und ihn in die Geschäfte geschickt haben sollte, um von seinen Pfennigen das Brandstiftungsmaterial zu beschaffen...!)
Als sich später die Kriminalbeamten mit ihm in das Reichstagsgebäude begaben, um seine Angaben anhand des Protokolls an Ort und Stelle zu überprüfen, fanden sie alle von ihm angeführten Einzelheiten und Besonderheiten bestätigt, wie das Abschlussprotokoll - das ja noch existiert - beweist. Ausschlaggebend für die Richtigkeit seiner Behauptung, allein gehandelt zu haben, war jedoch die Tatsache, dass neben den vorgefundenen und zuvor vom Täter erwähnten Spuren keine weiteren festzustellen waren. Das war für die geschulten Kriminalisten damals - und 1951 auch für mich als kritischen Laien - der logische und unwiderlegliche Beweis, dass außer Van der Lubbe keine weiteren Brandstifter beteiligt gewesen sein konnten. Sie hätten unter allen Umständen irgendwelche Spuren hinterlassen müssen! So erklärt sich, dass Van der Lubbe von Anfang an bis zu seinem tragischen Ende als Opfer menschlicher Unzulänglichkeit mit zunehmender Verzweiflung, wieder und wieder schwor, allein gehandelt zu haben. Das wurde ihm damals mit derselben Sturheit nicht abgenommen, wie dies heute Professor Hofer und sein Komitee tun. Wäre er ein "Werkzeug" der Nazis gewesen, hätte er doch wohl zumindest deren Todfeinde - die Kommunisten - als Mittäter belastet.
Verständlich, dass für Professor Hofer das Beharren der Kriminalkommissare auf der alleinigen Täterschaft van der Lubbes sowohl im Abschlussprotokoll (Zirpins) wie auch als Zeugen unter Eid vor dem Reichsgericht (Heisig und Bunge) höchst unbequem war. Er zeigte sich außerstande einzusehen, dass die von ihm übel als "Gestapo-Kommissare" beschimpften Beamten durch ihr Bekenntnis zur Alleintäterschaft nicht nur die beschuldigten und verfolgten Kommunisten entlasteten, sondern im Gegenzug die Hitler-Regierung als Lügner oder Dummköpfe belasteten.
Denn Tatsache war nun einmal, dass der sich damals noch keineswegs sicher fühlende neue Reichskanzler Hitler unter dem psychologisch wirksamen Eindruck des Riesenbrandes sogleich spontan die für seine Gefolgschaft verbindliche Parole vom drohenden kommunistischen Aufstandsversuch ausgegeben und die aus dem Reichstagsgebäude in den Nachthimmel hochlodernden Flammen als "Fanal" für die Aufständischen missdeutet hatte. In einer Art von Panik hatte er einen sofortigen "Gegenschlag" befohlen, und daraufhin wurden in einer überstürzten Verhaftungsaktion zahlreiche kommunistische Funktionäre - oft aus den Betten heraus - verhaftet. Dass es sich um eine hastig improvisierte Aktion handelte, lässt sich dadurch beweisen, dass viele zur Festnahme ausgeschriebene Kommunisten zum eingestandenen Ärger Görings fliehen und ins Ausland entkommen konnten.
Professor Hofer erweist sich somit als schlecht informiert, wenn er in purem Wunschdenken behauptet, das die "Aktion genauestens vorbereitet" und nur "möglich auf Grund minutiöser Vorbereitung" gewesen sei: Das Gegenteil ist richtig und nachweisbar. In der Hysterie der Brandnacht gab es wegen des völligen Mangels an organisatorischer Vorbereitung unendlich viele Pannen, Missverständnisse und Ärgernisse. Als Beleg sei nur ein einziges, aber markantes Beispiel erwähnt: Der bereits durch den Rundfunk am späten Abend als Brandstifter bezichtigte KPD-Fraktionsvorsitzende Ernst Torgler war daraufhin nicht in seine Wohnung zurückgekehrt, sondern hatte bei dem Fraktionssekretär Kühne übernachtet. Der war wiederum schon vor über einem Jahr umgezogen. Das Verhaftungskommando hatte ihn - mit den noch in der Weimarer Zeit aufgestellten Listen ausgestattet - am alten Platz gesucht und musste nun erst umständlich seine neue Wohnung ermitteln. Es traf dort daher erst am Morgen des 28. Februar ein. Kühne wurde verhaftet, doch sein Schlafgast - Ernst Torgler - nach dem in Berlin fieberhaft gesucht wurde, blieb - obwohl wahrgenommen und sogar gegrüßt - unbehelligt. (Er stellte sich guten Gewissens später selbst der Polizei - und wurde für viele Jahre der Freiheit beraubt!) Die Haftbefehle waren übrigens in fieberhafter Eile nach den erwähnten, teilweise überholten Listen in der Brandnacht auf Abzugspapier hergestellt und die Namen der zu Verhaftenden mit Kopierstift eingefügt worden, ein weiterer Beweis für die hastige Improvisation!
Um nicht ins Uferlose zu kommen, sei noch hervorgehoben, weshalb Van der Lubbe während des Verfahrens vor dem Reichsgericht ständig den Kopf hängen ließ und kein Interesse an dem für ihn - den einzigen und geständigen Täter - unverständlichen und zwangsläufig leeres Stroh dreschenden Verfahren erkennen ließ. Man hatte ihn wie ein wildes Tier Tag und Nacht an Händen und Füssen gefesselt, monatelang, eine unmenschliche Tortur in der Hitze des Sommers 1933. Er unternahm sogar einen längeren Hungerstreik, um das Verfahren zu beschleunigen, vergebens. Seine beschwörenden Versicherungen, allein gehandelt zu haben, prallten an der Mauer der Voreingenommenheit des Senatspräsidenten und des Oberreichsanwalts immer wieder ab.
Hinzu kam, dass die damals aufgebotenen vier Sachverständigen höchst eigenwillige Gutachten vorlegten, die den Sachverhalt unterschiedlich, ja gegensätzlich darstellen und nur in dem einzigen Punkt übereinstimmten, dass irgendwelche weiteren Täter beteiligt gewesen sein müssten, wenn sie deren Mitwirkung auch nicht näher angeben konnten. Sie alle standen unter dem psychisch wirksamen Druck der von Hitler ausgegebenen Parole vom kommunistischen Putsch. Also mussten logischerweise Kommunisten die Brandstifter sein!
Die wegen des Hungerstreiks Van der Lubbes eingeschalteten Professoren Bonhoeffer und Zutt haben in ihrem psychiatrischen Gutachten als einzige neben den Kriminalbeamten dem armen Van der Lubbe weitgehend Glauben geschenkt und am Schluss deutlich anerkennende Worte gefunden, womit zugleich die dümmlichen abenteuerlichen Verdächtigungen im Ausland - nach 1945 auch hier zulande - widerlegt wurden, dass er ständig "gedopt" und narkotisiert gewesen sei: "Es ist nur die eine Auffassung möglich: Dieser junge 24-jährige Mensch hat sich mit einer erstaunlichen affektiven Unerbittlichkeit, ja Verbissenheit konsequent gehalten bis zu seiner Hinrichtung. Darin liegt - gerade im Hinblick auf sein jugendliches Alter - eine erstaunliche menschliche Leistung. Aber er war eben auch ein ungewöhnlicher Mensch..."
Insbesondere war er alles andere als "geistesschwach", wie David Irving meint.
Doch zurück zu den Ausführungen Professor Hofers. Gegen Schluss seines Beitrages hat er wortreich und voller Empörung den "Unsinn", nämlich David Irvings "Methode der Geschichtsklitterung", zurückgewiesen, er - Hofer - habe es als "volkspädagogisch unerwünscht" bezeichnet, "wenn bekannt würde, dass die Nazis für den Reichstagsbrand nicht verantwortlich gemacht werden konnten". Er fährt dann hochmütig fort: "Natürlich habe ich einen solchen Unsinn nicht von mir gegeben" und meint, "diese Lüge [wird] weiterhin kolportiert, weil sie sich so gut eignet, um einen wissenschaftlichen Gegner moralisch zu erledigen". Da Hochmut bekanntlich vor dem Fall kommt, muss Herrn Professor Hofer nicht ohne ein bescheidenes Maß an Schadenfreude vorgehalten werden, dass er diese unanständige Methode, die er hier mit Recht so hart verurteilt hat, höchst selbst und sogar in verschärfter Formulierung praktiziert hat, indem er einen durch wissenschaftliche Beweisführung nicht zu widerlegenden Gegner - nämlich mich - auf alles andere als moralische Weise "erledigen" wollte. Zu diesem Zweck hatte er eine Serie von Denunziationsbriefen mit durchweg läppischem Inhalt an verschiedene Amtsträger - darunter meinen Minister in Hannover und Senatoren in Berlin - verschickt, die nun wirklich für die Reichstagsbrandforschung nicht zuständig waren. In seinem Brief an den Berliner Justizsenator vom 9. Juli 1971 hatte Herr Hofer ebenso überheblich wie apodiktisch forsch behauptet, dass ich eine "unwissenschaftliche" - nämlich der seinen widersprechende - "These in die Welt gesetzt [hätte]..., dass man Göring den Reichstagsbrand nicht anlasten könne...". Dann folgte ebenso kategorisch: "Diese Behauptung widerspricht jedoch nicht nur der historischen Wahrheit, sondern ist darüber hinaus, wie Prof. Dr. Golo Mann es ausdrückte - volkspädagogisch gefährlich."
1 Mein 1962 erschienenes (vergriffenes) Reichstagsbrandbuch umfasst
immerhin nicht weniger als 723 Seiten, mit dem Nachweis, dass der niederländische 24-jährige
Rätekommunist Marinus Van der Lubbe ganz allein den Reichstag in Brand gesetzt hat.
Diese Antwort fand sich schon 1959/60 in der "Spiegel"-Serie "Stehen Sie auf, Van der Lubbe!", im
vorerwähnten Buch sowie 1964 in einem ausführlichen Aufsatz des Professors Hans Mommsen in den
"Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte" und schließlich 1986 im Piper-Taschenbuch "Der
Reichstagsbrand - Aufklärung einer historischen Legende". [Zurück zum Text]
* Wer hat am 27. Februar 1933 den Reichstag angezündet, der Einzeltäter
Van der Lubbe oder die Nazis? Die periodisch immer wieder aufflammende Kontroverse hat durch die
Veröffentlichung bisher unbekannter Tagebuchaufzeichnungen Joseph Goebbels' neue Nahrung erhalten.
Auf die in der "Weltwoche" vom 23. Juli veröffentlichen Stellungnahmen antwortet jetzt Fritz
Tobias, Ministerialrat a.D., von dessen 1962 erschienenem Buch über den Reichstagsbrand der
britische Historiker Alan Bullock schrieb, es müsste eigentlich "Zwangslektüre für alle Studenten
der Geschichte" sein. [Zurück zum Text]