1848-Geschichten aus der Berliner Märzrevolution



III. Wege aus der Not - Staatliche Fürsorge und revolutionäre Selbsthilfe

Die "Kartoffelrevolution"


Die "Kartoffelrevolution", April 1847 21. April 1847: Auf den Märkten Berlins werden die Stände geplündert. Die "Kartoffelrevolution" bricht los. Die Mißernte des Vorjahres und ein harter Winter haben bei den Lebensmitteln zu einem verheerenden Preisanstieg geführt. Für viele arme Berliner ist damit die absolute Schmerzgrenze überschritten. Sie sind einfach nicht mehr in der Lage, für das Grundnahrungsmittel Kartoffel das Vierfache des üblichen Preises zu zahlen. Wie ein Flächenbrand weitet sich der wütende Protest der Menschen in Windeseile über die ganze Stadt aus. Aufgebrachte Demonstranten plündern Bäcker- und Fleischerläden, im Kronprinzenpalais werden die Fensterscheiben eingeworfen. Die Unruhen können erst nach drei Tagen unter massivem Einsatz des Militärs niedergeschlagen werden.

Die "Kartoffelrevolution" wirft schlagartig ein Licht auf die Lage der unteren Bevölkerungsschichten Berlins, die ständig am Rand von Hunger und Verzweiflung leben. Ein Hauptgrund für die soziale Verelendung liegt in dem Überangebot an Arbeitskräften. Niedrige Löhne bei überlanger Arbeitszeit sind die Regel. Die qualifizierten Maschinenbauarbeiter sind mit zwölf Stunden täglich noch relativ gut gestellt. Ein Tischlergeselle hat dagegen bis zu fünfzehn Stunden am Tag zu arbeiten. Trotz der Mitarbeit von Frau und Kindern sind viele Familien dennoch kaum in der Lage, für das Notwendigste zu sorgen. Auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter stehen Tagelöhner und Gelegenheitsarbeiter, die in Elendsquartieren vor den Toren der Stadt leben. Das berüchtigste Viertel ist das "Vogtland" vor dem Hamburger Tor - ein Hort von Bettelei, Diebstahl und Prostitution.

Das wohlhabende Berlin reagiert auf die krassen sozialen Mißstände der Stadt vorwiegend mit karitativen Aktivitäten. Private Stiftungen wie die "Armen-Speisungs-Anstalt" oder die "Kottwitzsche Armen-Beschäftigungs-Anstalt" versuchen auf ihre Art, zur Linderung des Elends beizutragen. 1844 wird unter dem Eindruck der schlesischen Weberaufstände der "Zentralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen" gegründet. Auch beim Magistrat wächst die Einsicht, daß mit gezielten Maßnahmen auf Dauer ein Protestpotential entschärft werden muß, das permanent den sozialen Frieden der Stadt bedroht.

Neu ist die Erfahrung, daß die arbeitenden Schichten nun auch beginnen, die Verbesserung ihrer sozialen Lage selbst in die Hand zu nehmen. 1847 erlebt Berlin seinen ersten "Kommunisten-Prozeß". Vor Gericht stehen Handwerksgesellen, die schon 1845 in der preußischen Hauptstadt den "Bund der Gerechten" gegründet haben. Die Märzkämpfe des Jahres 1848, bei denen auch die sozialen Probleme der Stadt wieder mit aller Gewalt hervorbrechen, sind somit nicht nur für das bürgerliche Berlin eine Herausforderung, neue Wege aus der Not zu finden.


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