1848-Geschichten aus der Berliner Märzrevolution



II. Militär und Bürgerwehr - Wieviel Ordnung braucht die Revolution?

6. Entwaffnung und "passiver Widerstand"


Karikatur: "Passiver Widerstand" Die Ankündigung des Präsidenten der Preußischen Nationalversammlung, die Abgeordneten würden gegen Gewaltmaßnahmen des Militärs nur passiven Widerstand leisten, ist in den Straßen Berlins schon seit Tagen Gegenstand zahlreicher Witze. Angesichts eines übermächtigen Feindes schaffen sich viele Berliner auf diese Weise Entlastung. Für Andere ist "passiver Widerstand" nichts weiter als "aktive Feigheit". Der Spott macht auch vor der Bürgerwehr nicht halt, wie die Karikatur eines Bürgerwehrmannes als Denkmalsfigur für den "Erfinder des passiven Widerstands" zeigt.


Anasthasius Schnüffler: Karline hat Schuld! 15. November 1848: Militärpatrouillen ziehen durch die Straßen Berlins. Die Bürger werden unter Trommelwirbel aufgefordert, alle Waffen abzugeben. Auch bei dieser Aktion zeigt General von Wrangel wieder taktisches Geschick. Er schickt die Patrouillen zuerst in Viertel, in denen der geringste Widerstand zu erwarten ist. Mit jedem durchsuchten Straßenzug sinken die Chancen der restlichen Bezirke, einen erfolgreichen Aufstand gegen das Militär wagen zu können. Am Ende der Aktion steht die Entwaffnung der Maschinenbauarbeiter vom Oranienburger Tor.

Insgesamt werden ca. zwanzigtausend Gewehre eingesammelt. Nach dem Auflösungsdekret vom 11. November ist die Bürgerwehr nun auch faktisch nicht mehr in der Lage, bewaffneten Widerstand zu leisten. Auch bei diesem letzten Akt in der Geschichte der Bürgergarde werden wieder Witze über den "passiven Widerstand" gemacht:

Schmiedemeister Ambos: Ick sage zu meine Karline: "Karline," sag´ ick, "noch eenmal rede von Jewehr-Abgeben, sag´ ick, det duh noch eenmal, denn biste bei´n lieben Jott! - Wie ick det jesagt habe, trummeln se vor meine Dhüre. - Meine Karline kennt mir; sie weeß, det ick schrecklich bin, wenn ick anfange. "Aujust!" schreit sie, stülpt mir den Bieber uf, un schupst mir aus de Dhüre. - Wie ick wieder komme, is meine Waffe un de Munnetion weg. - Ick wüthete furchtbar! - Aber meine Karline sagt: "Aujust: - Passiv!" - Det beruhigte mir majisch. - Klauding, ´ne Weiße un´n kleenen Kimmel! -


Karikatur: Der Geist eines Märzkämpfers fragt einen Bürgerwehrmann Der Geist eines gefallenen Märzkämpfers fragt einen Bürgerwehrsmann nach den Errungenschaften der Revolution. Dieser verweist zutiefst erschrocken auf "Rauchfreiheit" und "Nationaleigenthum". Die revolutionäre Aktion, mit der das Palais des verhaßten Prinzen Wilhelm von Preußen zum nationalen Eigentum erklärt werden sollte, hat jedoch auch keinen Bestand. Von der Aufzählung der revolutionären Errungenschaften bleibt so strenggenommen eigentlich nur noch die Freiheit übrig, auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu rauchen.

Dieses bittere Fazit ist charakteristisch für die Schocksituation, in der sich viele Berliner nach der Verhängung des Belagerungszustandes durch General Wrangel befinden. Aus einer größeren Perspektive werden dagegen auch die Kontinuitäten im Bereich Verfassung und Parlament zu betonen sein - wenngleich diese Ergebnisse der Revolution auch nicht den Hoffnungen und Erwartungen vieler Märzkämpfer entsprechen.


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