Da zwischen der Bürgerwehr und den zumeist adeligen Offizieren massive Standeskonflikte bestehen, wendet sich der
demokratische Bürgerwehrverein mit seinem Werben um eine Verständigung mit dem Heer an die gemeinen Soldaten. Gefordert wird
ein enger Schulterschluß im Kampf für "Freiheit und Recht" gegen die Mächte der Reaktion.
Der Aufruf des Vereins vom 11. September 1848 hat einen konkreten Hintergrund: Am 7. September hatte es in der
Preußischen Nationalversammlung eine erregte Debatte mit den Ministern des Kabinetts Hansemann-Auerswald gegeben. Der
Streitpunkt war ein Beschluß des Parlaments auf Antrag des Abgeordneten Stein. Das Heer wurde hierin dazu aufgefordert,
sich von reaktionären Bestrebungen fernzuhalten und die konstitutionelle Bewegung zu unterstützen. Die Debatte endete mit
einem Zerwürfnis zwischen Parlament und Regierung, die kurz danach ihren Rücktritt einreichen sollte.
12. September 1848: Der Funke der Revolution springt auch auf Potsdam über. Meuternde Soldaten versammeln sich
diskutierend vor dem Neuen Palais. Als die Soldaten versuchen, gefangene Kameraden aus dem Arrest zu befreien, wird der
Aufstand sehr schnell von Elitetruppen niedergeschlagen. Die "Potsdamer Meuterei" bleibt eine kurze Episode der
Revolution.
Potsdam is ufjestanden! Eine Meuterei beim preußischen Militär! Dies wundert sogar Aujust Buddelmeyer, den
"Dages-Schriftsteller mit´n jroßen Bart".
Auch nach der "Potsdamer Meuterei" wird weiter um die Gunst der Soldaten gerungen. Das Manifest des
Demokratischen Clubs an die "Brüder" Soldaten enthält sehr populäre Forderungen: Proklamiert werden u.a.
eine Verkürzung der Dienstzeit und die freie Wahl der Vorgesetzten. Damit die Soldatenlöhne angehoben werden
können, sollen die Offiziersgehälter gekürzt werden.
Ein Offizier sieht sich durch die Demokraten herausgefordert. Mit ruhiger Stimme versucht er, seinen "Kameraden"
in der Armee die Punkte des Manifests zu widerlegen. Der Forderung nach einem höheren Soldatensold entgegnet er mit einem
Verweis auf die Lage der Arbeiter:
"Fragt die Arbeiter, ob sie 1 Sgr. 6 Pf. täglich übrig haben, nachdem sie ihre Wohnung, die dürftige Kleidung
(kaum ausreichend für den Winter), die spärliche Kost bezahlt haben. Laßt Euch von diesen Arbeitern erzählen, wie schwer
es ihnen gemacht wird, überhaupt Arbeit zu erhalten, und wie sie sich anstrengen müssen. Laßt euch sagen, Kameraden, wo
sie bleiben, wenn sie das Unglück haben, zu erkranken?"
Das Flugblatt der "Soldaten Potsdams an ihre Feinde, die Demokraten Berlins" ist dagegen ein Dokument blanken
Hasses und damit wohl auch ein Zeugnis großer Nervosität. Gegen den Geist der Verbrüderung werden mit großer Empörung
noch einmal die Auseinandersetzungen der Barrikadenkämpfe und des Zeughaussturms beschworen:
"Wie nennen sich die, welche nicht leiden wollen, daß die Leichen unserer am 18. März gefallenen Kameraden mit den
Leichen der Barrikadenhelden zusammen begraben werden sollten? - Demokraten - Die beim Zeughaussturm die vom Preußischen
Heere ruhmvoll eroberten Trophäen gestohlen und zerrissen? - Demokraten - Die uns schimpfen, unsere Treue verkleinern,
unsere Ehre besudeln? - Demokraten nennen sie sich und sind stolz darauf, sich so zu nennen. Brauchen uns da unsere
Offiziere erst den Glauben einzuflößen, daß Ihr unsere Feinde seid?"
Die Auseinandersetzungen um die Stellung des Militärs zur Revolution haben den Nerv der preußischen Monarchie getroffen. Am
Potsdamer Hof werden Vorbereitungen für die Gegenrevolution getroffen. Nach dem Rücktritt des Kabinetts Auerswald-Hansemann
wird der General von Pfuel zum Ministerpräsidenten und Kriegsminister ernannt. Der General von Wrangel erhält den Oberbefehl
über die in den Marken stationierten Truppen. Die Bevölkerung von Berlin spürt, daß eine militärische Entscheidung
bevorsteht.
Angesichts der gewaltigen Übermacht des Militärs hat auch der bürgerliche Schuhmacher Matthias Strobel Schwierigkeiten,
seinen Humor zu behalten. Er richtet eine "Verbrüderte Predigt an die 60,000 pfündige Miletär-Batterie in Berlin un
Umjejend" und ruft fast verzweifelt: "Soldatens, stecht de Deegens in!"
Der Traum von der Verbrüderung zwischen den Soldaten und der Bevölkerung Berlins hat jedoch schon längst keine Chancen
mehr, Wirklichkeit zu werden. Die Gegenrevolution nimmt ihren Lauf.
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