1848-Geschichten aus der Berliner Märzrevolution



II. Militär und Bürgerwehr - Wieviel Ordnung braucht die Revolution?

4. Der Traum von der Verbrüderung


Gegensätze, oder wie die Natur spielt. Gegensätze, oder wie die Natur spielt: Ein standesbewußter Offizier blickt voller Abscheu auf zwei Bürgerwehrmänner


Der demokratische Bürgerwehrverein an die Soldaten, 11. September 1848 Da zwischen der Bürgerwehr und den zumeist adeligen Offizieren massive Standeskonflikte bestehen, wendet sich der demokratische Bürgerwehrverein mit seinem Werben um eine Verständigung mit dem Heer an die gemeinen Soldaten. Gefordert wird ein enger Schulterschluß im Kampf für "Freiheit und Recht" gegen die Mächte der Reaktion.

Der Aufruf des Vereins vom 11. September 1848 hat einen konkreten Hintergrund: Am 7. September hatte es in der Preußischen Nationalversammlung eine erregte Debatte mit den Ministern des Kabinetts Hansemann-Auerswald gegeben. Der Streitpunkt war ein Beschluß des Parlaments auf Antrag des Abgeordneten Stein. Das Heer wurde hierin dazu aufgefordert, sich von reaktionären Bestrebungen fernzuhalten und die konstitutionelle Bewegung zu unterstützen. Die Debatte endete mit einem Zerwürfnis zwischen Parlament und Regierung, die kurz danach ihren Rücktritt einreichen sollte.


Meuternde Soldaten vor dem Neuen Palais in Potsdam, 12.9.48 12. September 1848: Der Funke der Revolution springt auch auf Potsdam über. Meuternde Soldaten versammeln sich diskutierend vor dem Neuen Palais. Als die Soldaten versuchen, gefangene Kameraden aus dem Arrest zu befreien, wird der Aufstand sehr schnell von Elitetruppen niedergeschlagen. Die "Potsdamer Meuterei" bleibt eine kurze Episode der Revolution.


Aujust Buddelmeyer: Potsdam is ufjestanden! Potsdam is ufjestanden! Eine Meuterei beim preußischen Militär! Dies wundert sogar Aujust Buddelmeyer, den "Dages-Schriftsteller mit´n jroßen Bart".


Die Demokraten Berlins an ihre Brüder die Soldaten Auch nach der "Potsdamer Meuterei" wird weiter um die Gunst der Soldaten gerungen. Das Manifest des Demokratischen Clubs an die "Brüder" Soldaten enthält sehr populäre Forderungen: Proklamiert werden u.a. eine Verkürzung der Dienstzeit und die freie Wahl der Vorgesetzten. Damit die Soldatenlöhne angehoben werden können, sollen die Offiziersgehälter gekürzt werden.


Ein Offizier an die Kameraden der Armee Ein Offizier sieht sich durch die Demokraten herausgefordert. Mit ruhiger Stimme versucht er, seinen "Kameraden" in der Armee die Punkte des Manifests zu widerlegen. Der Forderung nach einem höheren Soldatensold entgegnet er mit einem Verweis auf die Lage der Arbeiter:

"Fragt die Arbeiter, ob sie 1 Sgr. 6 Pf. täglich übrig haben, nachdem sie ihre Wohnung, die dürftige Kleidung (kaum ausreichend für den Winter), die spärliche Kost bezahlt haben. Laßt Euch von diesen Arbeitern erzählen, wie schwer es ihnen gemacht wird, überhaupt Arbeit zu erhalten, und wie sie sich anstrengen müssen. Laßt euch sagen, Kameraden, wo sie bleiben, wenn sie das Unglück haben, zu erkranken?"


Die Soldaten Potsdams an ihre Feinde, die Demokraten Berlins Das Flugblatt der "Soldaten Potsdams an ihre Feinde, die Demokraten Berlins" ist dagegen ein Dokument blanken Hasses und damit wohl auch ein Zeugnis großer Nervosität. Gegen den Geist der Verbrüderung werden mit großer Empörung noch einmal die Auseinandersetzungen der Barrikadenkämpfe und des Zeughaussturms beschworen:

"Wie nennen sich die, welche nicht leiden wollen, daß die Leichen unserer am 18. März gefallenen Kameraden mit den Leichen der Barrikadenhelden zusammen begraben werden sollten? - Demokraten - Die beim Zeughaussturm die vom Preußischen Heere ruhmvoll eroberten Trophäen gestohlen und zerrissen? - Demokraten - Die uns schimpfen, unsere Treue verkleinern, unsere Ehre besudeln? - Demokraten nennen sie sich und sind stolz darauf, sich so zu nennen. Brauchen uns da unsere Offiziere erst den Glauben einzuflößen, daß Ihr unsere Feinde seid?"


Soldatens, stecht de Deegens in! Die Auseinandersetzungen um die Stellung des Militärs zur Revolution haben den Nerv der preußischen Monarchie getroffen. Am Potsdamer Hof werden Vorbereitungen für die Gegenrevolution getroffen. Nach dem Rücktritt des Kabinetts Auerswald-Hansemann wird der General von Pfuel zum Ministerpräsidenten und Kriegsminister ernannt. Der General von Wrangel erhält den Oberbefehl über die in den Marken stationierten Truppen. Die Bevölkerung von Berlin spürt, daß eine militärische Entscheidung bevorsteht.

Angesichts der gewaltigen Übermacht des Militärs hat auch der bürgerliche Schuhmacher Matthias Strobel Schwierigkeiten, seinen Humor zu behalten. Er richtet eine "Verbrüderte Predigt an die 60,000 pfündige Miletär-Batterie in Berlin un Umjejend" und ruft fast verzweifelt: "Soldatens, stecht de Deegens in!" Der Traum von der Verbrüderung zwischen den Soldaten und der Bevölkerung Berlins hat jedoch schon längst keine Chancen mehr, Wirklichkeit zu werden. Die Gegenrevolution nimmt ihren Lauf.


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