1848-Geschichten aus der Berliner Märzrevolution



II. Militär und Bürgerwehr - Wieviel Ordnung braucht die Revolution?

3. Die Bürgerwehr im Kampf für die neue Ordnung


Der Zeughaussturm

Bekanntmachung: Versammlungsverbot vor dem Parlament, 10. Juni 1848 Die Auseinandersetzungen um die "Anerkennung der Revolution" schlagen Anfang Juni in der Nationalversammlung hohe Wellen. Am 9. Juni wurden im "Kastanienwald" vor der Singakademie konservative Abgeordnete bedroht. Der Kommandeur der Bürgerwehr und der Polizeipräsident erlassen daraufhin im Umkreis des Parlaments ein Versammlungsverbot, das von den radikalen Demonstranten allerdings nur wenig beachtet wird.


Der Zeughaussturm, 14. Juni 1848 In wütendem Protest gegen die Nationalversammlung und die Repressionen der Bürgerwehr drängen die Demonstranten, unter denen sich viele brotlose Arbeiter befinden, zu radikaleren Schritten. Der Ruf nach allgemeiner Volksbewaffnung wird immer stärker und am 14. Juni lautstark vor dem Kriegsministerium vorgetragen. Eine schnell herbeigerufene Einheit der Bürgerwehr unter dem Kommando des Majors Benda versucht, die aufgeregte Menge mit gefälltem Bajonett zurückzudrängen.

Wie am 18. März auf dem Schloßplatz gerät auch hier die Situation durch mehrere Schüsse vollends außer Kontrolle. Einige Bürger, die sich freiwillig der Einheit angeschlossen haben, eröffnen ohne ausdrücklichen Befehl gezielt das Feuer auf die Demonstranten. Das Resultat: Zwei Tote und mehrere Verletzte. Wutentbrannt beschließen die Demonstranten daraufhin, die Volksbewaffnung nun auf eigene Faust durchzusetzen. Noch in den Abendstunden des 14. Juni setzen sie zum Sturm auf das Zeughaus an.


Karikatur: Heldenhafte Verteidigung des Zeughauses Die Bürgerwehr ist trotz eines Generalalarms nicht in der Lage, den Sturm auf das Zeughaus zu verhindern. Auch die gemeinsam aufgestellten Wachen der Bürgerwehr und des Militärs reichen zur Verteidigung des Waffenmagazins nicht aus. Die wütende Menge dringt weitgehend ungehindert in das Zeughaus ein und plündert nicht nur Gewehre und Munition. Auch Trophäen und Regimentsfahnen werden von den Wänden gerissen und zerstört - eine unerhörte Provokation für das preußische Militär.

Erst als im Lauf der Nacht zwei Bataillone des 24. Infanterieregiments zusammen mit mehreren Einheiten der Bürgerwehr aufmarschieren, können die Plünderer in die Flucht geschlagen werden. Die meisten Waffen werden noch vor Ort eingesammelt oder in den folgenden Tagen auf der Straße und bei Haussuchungen sichergestellt. Das Waffenmonopol von Bürgerwehr und Militär ist somit wiederhergestellt. Dennoch: Der Schock über die "heldenhafte Verteidigung des Zeughauses" sitzt tief.


Notwendige Erklärung eines Büchsenmachers, 15. Juni 1848 Der Tag nach dem Sturm: Die Atmosphäre in der Stadt ist gereizt, Gerüchte gehen um. Ein Büchsenmacher erklärt ausdrücklich, am Tag zuvor nicht auf demonstrierende Arbeiter geschossen zu haben. Diese Erklärung hat ihren guten Grund: Die Wohnung des Majors Benda, der den Einsatz der Bürgerwehr vor dem Kriegsministerium geleitet hat, wurde bereits durch einen wütenden Mob verwüstet und geplündert.


Major Rimpler an die Bürgerwehr, 15. Juni 1848 Der Zeughaussturm löst eine Kette von politischen Reaktionen aus. Das Ministerium Camphausen und auch der Polizeipräsident von Minutoli treten zurück - nicht zuletzt auf Druck des königlichen Hofs in Potsdam. Im Mittelpunkt der öffentlichen Kritik stehen jedoch das Verhalten der Bürgerwehr und ihres Kommandeurs Blesson. Ihm wird die Hauptschuld an dem blamablen Auftreten der Truppe angelastet. Nachdem er erst Anfang des Monats das Kommando von dem scheidenden Major von Aschoff übernommen hatte, tritt er noch am 15. Juni zurück.

Am gleichen Tag wird Major Rimpler zum neuen interimistischen Kommandeur der Bürgerwehr gewählt. Rimpler ist deutlich bemüht, zu einer Entspannung der aufgeheizten Lage beizutragen. Er ruft seine Kameraden zu besonnenem Verhalten auf und ermahnt sie ausdrücklich, die Waffe nur im äußersten Notfall zu gebrauchen.


Bekanntmachung über die Einberufung der Landwehr, 15. Juni 1848 Das staatliche Vertrauen in die Bürgerwehr ist erschüttert. Der Kriegsminister ruft mehrere Landwehrbataillone nach Berlin, die zur Unterstützung der bürgerlichen Schutztruppe eingesetzt werden sollen.


Die Macht der Polizei in Preußen Im Juli 1848 werden die Ordnungskräfte weiter verstärkt: Nach englischem Vorbild wird eine Konstablertruppe aufgestellt. Die Konstabler übertreffen mit ihren rüden Umgangsformen schon bald den Polizeigeist der alten Gendarmen und stoßen bei der Bevölkerung auf entschiedene Ablehnung.


Bekanntmachung über den Durchzug von Militär, 21. Juni 1848 Major Rimpler versucht nicht nur mit polizeilichen Mitteln, Ruhe und Ordnung in Berlin zu wahren. Um möglichen Tumulten vorzubeugen, setzt er auch auf eine gezielte Information der Bevölkerung. In einer Bekanntmachung vom 21. Juni weist er auf den bevorstehenden Durchzug von Infanterieregimentern hin. Er betont ausdrücklich, daß die Truppen nicht für Berlin bestimmt sind, sondern sich nur auf dem Weg von Posen nach Magdeburg befinden.


Die Schießerei auf dem Köpenicker Feld

Die Schießerei auf dem Köpenicker Feld, 16. Oktober 1848 Oktober 1848: Auf dem Köpenicker Feld wird im Auftrag des Magistrats von Berlin ein Kanal ausgehoben. Das Projekt bietet vielen Arbeitern auch noch im Herbst eine bezahlte Beschäftigung. Eine Dampfmaschine wird aufgestellt. Mit der angeschlossenen Pumpe soll der Grundwasserspiegel in den Arbeitsschächten gesenkt werden. Schon in der Nacht zum 13. Oktober wird die Maschine jedoch von mißtrauischen Arbeitern zerstört. Sie hatten befürchtet, daß der Einsatz der Maschine den Einsatz vieler Arbeiter überflüssig machen könnte.

Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Gerade die Zerstörung der Maschine führt zu Einschränkungen bei den Erdarbeiten. Der verstimmte Magistrat kündigt Entlassungen an - eine Maßnahme, die mit der Zerstörungsaktion gerade vermieden werden sollte. Nachdem die städtischen Behörden auf verschiedene Proteste gegen die geplanten Entlassungen nicht reagieren, ziehen die Arbeiter am 16. Oktober mit Schaufel, Spaten und einer roten Fahne Richtung Innenstadt. Eine Einheit der Bürgerwehr, die sich den Demonstranten entgegenstellt, wird mit einem Hagel von Steinwürfen attackiert. Nachdem schon mehrere Bürgerwehrmänner erheblich verletzt worden sind, eröffnet die Schutztruppe schließlich das Feuer. Zwei Arbeiter sterben sofort im Kugelhagel, drei weitere Demonstranten erliegen wenig später ihren Verletzungen. Im Lauf des Tages kommt es zu weiteren gewaltsamen Zusammenstößen, bei denen mehrere Arbeiter und auch ein Bürgerwehrmann getötet werden.


Der Demokratische Club an die Bürgerwehr, 17. Oktober 1848 Der Demokratische Club gibt der Bürgerwehr eindeutig die Schuld an der Eskalation der Gewalt. In einem dramatischen Appell wird die Bürgerwehr aufgefordert, sich mit der Arbeiterschaft zu versöhnen und fortan gemeinsam für das "Wohl des Volkes" zu kämpfen.

Viele Redner der Demokraten sind aber auch zugleich bemüht, mäßigend auf die erregten Demonstranten einzuwirken. Im Auftrag der demonstrierenden Arbeiter bringen die Demokraten schließlich in die Nationalversammlung eine Petition ein, in der sowohl die gerichtliche Verfolgung der Bürgerwehr als auch ein öffentliches Begräbnis der Toten und die Versorgung der Hinterbliebenen gefordert wird. Nachdem die Petition im Parlament nicht mit Mehrheit verabschiedet werden kann, wird sie an das Justizministerium weitergeleitet. Die Arbeiter reagieren empört, die Lage bleibt weiter gespannt.


Ullo Bohmhammel: Eene drömerige Viehsion Erst als ein extra gegründetes Bestattungskomitee beschließt, die erschossenen Kampfgefährten wenigstens mit einem feierlichen Begräbnis zu ehren, beruhigen sich die aufgeregten Gemüter der demonstrierenden Arbeiter. Trotz schikanöser Behinderungen von seiten des Magistrats - eine geplante Trauerversammlung auf dem Opernplatz wird als ungesetzlicher Volksauflauf verboten - werden die Gefallenen des Köpenicker Felds und der Straßenkämpfe dann am 20. Oktober unter der Beteiligung der Bürgerwehr zu Grabe getragen. Die Arbeiter wiederum erweisen am gleichen Tag dem gefallenen Bürgerwehrsmann ihre Referenz.

Ullo Bohmhammel, der "Vizejefreite bei de Börjerwehr" mißt der demonstrativen Versöhnung von Arbeiterschaft und Bürgerwehr einen hohen Rang zu. Er beschwört in einer "drömerigen Viehsion" sogar einen neuen Akt im Revolutionsstück, nachdem der letzte Aufzug mit dem Tod von zwölf Menschen geendet habe. Die Begleitumstände des Trauerzuges kommentiert er mit den Worten:

"Der Wind jedoch war sehr reactionär. Er wehte über´t Schloß von´t Rathaus her!"


Aujust Buddelmeyer: Die Versöhnung am Jrabe! Auch die Ehefrau des Bürgerwehrmanns Ludewig Bullrich ist auf den Magistrat offensichtlich nicht sehr gut zu sprechen: "Alles is nu wieder jut, blos der Majestrat nich, Na denn laßen böse sind, Ludeken des schad´t nich."

Die sechste Gardinenpredigt fällt für den braven Bürgerwehrmann diesmal also nicht so schlimm aus. Beruhigt kann er nach der Heimkehr von dem Arbeiterbegräbnis in seine Pantoffeln steigen.


Major Rimpler an die Arbeiter, 21. Oktober 1848 Auch der Kommandeur der Bürgerwehr meldet sich nach dem Leichenbegängnis noch einmal zu Wort. Im Geist der Versöhnung fordert er die Arbeiterschaft eindringlich dazu auf, die gesetzliche Ordnung zu achten und die Bürgerwehr bei ihrer schweren Aufgabe zu unterstützen.


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