1848-Geschichten aus der Berliner Märzrevolution



II. Militär und Bürgerwehr - Wieviel Ordnung braucht die Revolution?

2. Freud und Leid des neuen Dienstes


Exercitium der Bürgerwehr Das Exercitium der Bürgerwehr: Um neben den Patrouillen und dem Wachdienst auch in geschlossenen Formationen operieren zu können, müssen die Bürgergardisten marschieren und exerzieren lernen. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Wartung und Reinigung des Gewehrs, das wegen seiner Größe und seines Gewichts scherzhaft "Kuhfuß" genannt wird.


Wacheinteilungszettel, 17. Oktober 1848 Die Wachdienste werden durch individuelle Anweisungen geregelt, wie in dem Stellungsbefehl für den Bürgerwehrmann Wreden aus der Zimmerstraße 38 für den 17. Oktober 1848.

Die Bürgerwehr beginnt schon am 20. März 1848, durch die Straßen Berlins zu patrouillieren. Die Atmosphäre ist an diesem Tag entspannt, einige Bürgergardisten rauchen Zigarren und genießen auf diese Weise eine weitere Errungenschaft der Revolution - die Aufhebung des Rauchverbots in der Öffentlichkeit.


Scenen auf der Berliner Schloßwache, 1849 Die meisten Bürgergardisten sind am königlichen Schloß stationiert, zunächst ein Dienst mit vielen angenehmen Seiten. Auf ihrer Wachstube werden die Bürgersoldaten unentgeltlich mit Speisen und Getränken aus der Schloßküche versorgt - schon für die Zeitgenossen ein Anlaß zur Spöttelei.


Ausrüstung für die Nachtwache "Ja det is ne scheene Zeit! Ick weeß gar nich wat se mit ihre dumme Freiheit wollen, ick hab´ mer unter´t alte System janz jut befunden, wenn eener ordentlich war, hat eenen keen Schandarm nischt gethan, un nanu muß ick orntlicher Bürger de Familie un Muttern uf ne ganze Nacht verlassen un uf de Wache mit alle möglichen Entbehrungen kämpfen!"

Nach der Euphorie der ersten Tage tritt bei vielen Bürgerwehrmännern schon sehr bald eine starke Ernüchterung ein. Dies ist allerdings nicht nur Ausdruck von spießbürgerlicher Bequemlichkeit, wie es die Karikatur suggeriert. Die Bürgersoldaten müssen ihren Dienst neben den Verpflichtungen in Beruf und Familie wahrnehmen, weshalb gerade die Nachtwachen für viele eine große Belastung darstellen.


Bürgerwehrmann in Alarmbereitschaft Ein Bürgerwehrmann ist immer in Bereitschaft. Wenn das Signalhorn ertönt, hat er sich am Sammelplatz seiner Einheit einzufinden, bei Tag und bei Nacht. Nach unzähligen Einsätzen bei Demonstrationen, Tumulten und nächtlichen Ruhestörungen sind viele Bürgergardisten schon nach wenigen Tagen total entnervt. In ihren Kreisen wird daraufhin eine Petition entworfen, in der schließlich mit ca. 15.000 Unterschriften die Rückkehr des Militärs zur Unterstützung des bürgerlichen Wachdienstes gefordert wird - knapp zehn Tage nach den Barrikadenkämpfen!


Bekanntmachung über die Rückkehr von Militär, 29. März 1848 29. März 1848: Im Auftrag des Staatsministeriums und des Polizeipräsidenten von Berlin wird die bevorstehende Rückkehr von mehreren Militäreinheiten angekündigt. Am 30. und 31. März ziehen die Truppen in Berlin ein und werden - wie schon Augenzeugen verwundert registrieren - von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt.


Protest gegen Wiedereinführung von Militär, 30.03.1848 Der Rückruf der Soldaten trifft aber auch auf energischen Widerstand. Die demokratischen Kräfte Berlins haben die Barrikadenkämpfe noch in frischer Erinnerung. In ihrem Aufruf zu einer "Volksversammlung in den Zelten" weisen sie auf die Gefahr hin, die das Militär innerhalb der Tore der Stadt für den Fortgang der Revolution darstellt - einer Revolution, die nach dem Verständnis der Demokraten gerade erst begonnen hat.

Der Protest gegen die Rückkehr des Militärs hat insofern auch symbolischen Charakter für die politischen Verhältnisse Berlins im Frühjahr 1848. Auf der einen Seite stehen die Demokraten, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit anstreben. Demgegenüber sind die gemäßigt liberalen Kräfte bemüht, das politische Leben Preußens nach den Zugeständnissen des Königs zusammen mit den Kräften der alten Ordnung zu gestalten. Ihre wichtigste Stütze bleibt die Bürgerwehr.


Nächstes Thema | Startseite | Kapitel I | Kapitel II | Kapitel III | Kapitel IV | Chronik | Bildindex | ZLB | Kontakt | Zurück