Die Wachdienste werden durch individuelle Anweisungen geregelt, wie in dem Stellungsbefehl für den Bürgerwehrmann Wreden aus
der Zimmerstraße 38 für den 17. Oktober 1848.
Die Bürgerwehr beginnt schon am 20. März 1848, durch die Straßen Berlins zu patrouillieren. Die Atmosphäre ist an
diesem Tag entspannt, einige Bürgergardisten rauchen Zigarren und genießen auf diese Weise eine weitere Errungenschaft
der Revolution - die Aufhebung des Rauchverbots in der Öffentlichkeit.
Die meisten Bürgergardisten sind am königlichen Schloß stationiert, zunächst ein Dienst mit vielen angenehmen Seiten.
Auf ihrer Wachstube werden die Bürgersoldaten unentgeltlich mit Speisen und Getränken aus der Schloßküche versorgt -
schon für die Zeitgenossen ein Anlaß zur Spöttelei.
"Ja det is ne scheene Zeit! Ick weeß gar nich wat se mit ihre dumme Freiheit wollen, ick hab´ mer unter´t
alte System janz jut befunden, wenn eener ordentlich war, hat eenen keen Schandarm nischt gethan, un nanu muß ick orntlicher
Bürger de Familie un Muttern uf ne ganze Nacht verlassen un uf de Wache mit alle möglichen Entbehrungen kämpfen!"
Nach der Euphorie der ersten Tage tritt bei vielen Bürgerwehrmännern schon sehr bald eine starke Ernüchterung ein. Dies
ist allerdings nicht nur Ausdruck von spießbürgerlicher Bequemlichkeit, wie es die Karikatur suggeriert. Die
Bürgersoldaten müssen ihren Dienst neben den Verpflichtungen in Beruf und Familie wahrnehmen, weshalb gerade die
Nachtwachen für viele eine große Belastung darstellen.
Ein Bürgerwehrmann ist immer in Bereitschaft. Wenn das Signalhorn ertönt, hat er sich am Sammelplatz seiner Einheit
einzufinden, bei Tag und bei Nacht. Nach unzähligen Einsätzen bei Demonstrationen, Tumulten und nächtlichen Ruhestörungen
sind viele Bürgergardisten schon nach wenigen Tagen total entnervt. In ihren Kreisen wird daraufhin eine Petition entworfen,
in der schließlich mit ca. 15.000 Unterschriften die Rückkehr des Militärs zur Unterstützung des bürgerlichen Wachdienstes
gefordert wird - knapp zehn Tage nach den Barrikadenkämpfen!
29. März 1848: Im Auftrag des Staatsministeriums und des Polizeipräsidenten von Berlin wird die bevorstehende Rückkehr von
mehreren Militäreinheiten angekündigt. Am 30. und 31. März ziehen die Truppen in Berlin ein und werden - wie schon
Augenzeugen verwundert registrieren - von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt.
Der Rückruf der Soldaten trifft aber auch auf energischen Widerstand. Die demokratischen Kräfte Berlins haben die
Barrikadenkämpfe noch in frischer Erinnerung. In ihrem Aufruf zu einer "Volksversammlung in den Zelten" weisen
sie auf die Gefahr hin, die das Militär innerhalb der Tore der Stadt für den Fortgang der Revolution darstellt - einer
Revolution, die nach dem Verständnis der Demokraten gerade erst begonnen hat.
Der Protest gegen die Rückkehr des Militärs hat insofern auch symbolischen Charakter für die politischen Verhältnisse
Berlins im Frühjahr 1848. Auf der einen Seite stehen die Demokraten, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit
anstreben. Demgegenüber sind die gemäßigt liberalen Kräfte bemüht, das politische Leben Preußens nach den Zugeständnissen
des Königs zusammen mit den Kräften der alten Ordnung zu gestalten. Ihre wichtigste Stütze bleibt die Bürgerwehr.
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