Der "Volksverein unter den Zelten" protestiert gegen das geplante indirekte Wahlverfahren. Gefordert werden
allgemeine direkte Wahlen der Abgeordneten ohne Ausschluß der Empfänger von Armenunterstützung.
Ein eigens gegründetes "Volkswahlkomitee" spricht am 13. April 1848 beim Ministerpräsidenten Camphausen vor.
Der Ministerpräsident verweist in dem Gespräch selbst auf den eigentlichen Grund des Konflikts: Ein unbeschränktes direktes
Wahlrecht ist für ihn nicht akzeptabel, da es unweigerlich zu republikanischen Verhältnissen führen würde. Die städtischen
Unterschichten sind in der Tat ein Protestpotential, das in seiner Wut und Verzweiflung relativ einfach für
radikaldemokratische Ziele zu mobilisieren ist.
Die demokratische Bewegung ist im Frühjahr 1848 allerdings nicht so homogen, daß ihr politisches Endziel mit der einfachen Parole "demokratische Republik" beschrieben werden könnte. Der Kampf um die volle Volkssouveränität ist für Vertreter des gemäßigten Flügels der Demokraten durchaus mit dem System einer konstitutionellen Monarchie vereinbar. Einig sind sich die Demokraten jedoch in der Ablehnung der gemäßigt liberalen Politik, für die das Kabinett Camphausen steht. Die Strategie des neuen Staatsministeriums ist als Versuch zu charakterisieren, das Königreich Preußen in einem Kompromiß mit den Machtansprüchen der absoluten Monarchie in einen konstitutionellen Rechtsstaat mit eingeschränkter Volkssouveränität zu überführen. Das indirekte Wahlrecht ist ein Ausdruck dieses Kompromisses.
Nach dem ergebnislosen Gespräch mit dem Ministerpräsidenten beschließt das Volkswahlkomitee, zur Durchsetzung seiner politischen Forderungen am 20. April 1848 eine Demonstration durchzuführen. Einer der führenden Organisatoren des Protestzuges ist der radikale Student Gustav Adolf Schlöffel. Als revolutionärer Agitator und Herausgeber der radikalen Zeitschrift "Der Volksfreund" ist er zugleich der intellektuelle Führer der "Rehberger" - einer beim Bürgertum gefürchteten Arbeitertruppe vom Spandauer Schiffahrtskanal.
Neben der geplanten Demonstration gibt es auch andere Formen des Protestes gegen das neue Wahlgesetz. Die Druckerei
Fähndrich veröffentlicht in Anspielung auf die neue öffentliche Rauchfreiheit ein satirisches Plakat, auf dem die
"indirekte" politische Bedeutung des Urwählers klar zum Ausdruck kommt: Die Urwähler haben die dünnsten, die
Wahlmänner die mittelprächtigen und die Deputierten die dicksten Zigarren.
Nächstes Thema | Startseite | Kapitel I | Kapitel II | Kapitel III | Kapitel IV | Chronik | Bildindex | ZLB | Kontakt | Zurück